Parametervariation (Teil 1)
Ich habe das Buch „Jenseits von begabt und unbegabt” von Heinrich Jakoby gelesen. In dem Buch stehen viele interessante Dinge, die mich zum Nachdenken angeregt haben. Jakoby vertritt unter anderem die These, dass sich viele Dinge von selbst vermitteln und erklären, wenn geeignete Rahmenbedingungen bestehen. Eine Voraussetzung dafür, dass Experimente und Fehler zugelassen werden. Jakoby geht sogar so weit, das jeder Mensch, wenn er sich unvoreingenommen und unangeleitet mit einer Sache beschäftigt, früher oder später eine Sache gut beherrschen kann, und sogar besser als wäre er angeleitet worden. Denn die Erklärung, wie man etwas richtig macht, würde verhindern die Sinnhaftigkeit des Richtigen wirklich zu verstehen. Erst durch Experimente, die auch Misslingen bedeuten, wird der Wert des Richtigen deutlich.
Jakoby ist es wichtig, dass die Dinge nicht nur intellektuell verstanden werden, sondern sinnlich. Einfaches Beispiel der Kraftvektor. Wer das Prinzip des Kraftvektors im Physikunterricht verstanden hat, dem ist eigentlich klar, wie er mit möglichst wenig Kraft greift. Aber wer die verschiedenen Möglichkeiten einmal ausprobiert hat, der hat dieses Prinzip sinnlich erfahren. Die interessante Frage ist, wer ist innerlich bereiter die Finger günstig zu halten? Derjenige der nur weiß, dass es besser ist oder derjenige, der den Unterschied sinnlich erfahren hat. Man könnte noch eine dritte Möglichkeit einführen, nämlich denjenigen, der es in unterschiedlichen Situationen immer wieder sinnlich überprüft. Es also mal falsch macht und dann wieder richtig. Wichtig dabei, folgt man Jakoby, dass man auf die Qualitätsunterschiede achtet.
Diejenigen, die das Buch Jakobys kennen, werden merken, dass ich verkürzt oder sogar falsch darstelle. Mir geht es auch nicht um die Idee Jakobys, sondern um das, was dieser Gedanke in mir ausgelöst hat, beziehungsweise wieder geweckt hat.
Jakobys Ideen lesen sich zwar sehr interessant, aber wecken auch Skepsis. Aber dieses Buch hat etwas in mir angesprochen, was schon länger in mir herum rumort.
Einerseits bin ich der festen Überzeugung instrumentale Technik ist funktional und beweist sich letztendlich in der Anwendung, andererseits warum erschließt sich diese Notwendigkeit so schwer.
Wie schon oben angedeutet, Jakoby hat dazu einen interessanten Gedanken, weil in einem Unterrichtsverhältnis ausschließlich das Richtige präsentiert wird und eingefordert wird, erschließt sich der Sinn des Richtigen nicht. Was Jakoby als Lösung beschreibt, bleibt teilweise diffus und ist meiner Meinung nach auch etwas verschroben.
Aber mein Interesse war geweckt, weil ich mich immer wieder frage, ob mein Unterricht nicht eine gewisse Denkfaulheit erzeugt. Dabei ist eine alte Idee aufgetaucht, die ich schon in meinen Studienzeiten für mich angewandt habe. Nämlich Parameter variieren und nachspüren, was besser funktioniert. Ich habe das Prinzip damals hauptsächlich auf Haltungsfragen angewendet.
Die Schlussfolgerung für den Unterricht ist simple, man lässt den Schüler das Funktionale und Unfunktionale ausprobieren. Und klug wie er ist, wird er schon das richtige erkennen. Schön wär es!
Ich komme jetzt mal wieder mit einem meiner Fahrradbeispiele. Die sind schön übersichtlich. Die Trittfrequenz beim Radfahren. Die meisten Menschen treten ca. 60 Mal pro Minute, die Profis bei der Toure de France fahren mit einer Trittfrequenz von ca. 110 bis 120.
In diesem Beispiel kann man deutlich machen, warum Technik verständlich machen schwer ist, aber das es vielleicht doch mehr Ansatzpunkte gibt, als man glaubt, diese sinnlich verständlich zu machen.
Fortsetzung folgt
Der Beitrag wurde am Freitag, den 8. Oktober 2010 um 08:55 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrenunterricht, Übemethodik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .