Parametervariation (Teil 3)
Im Unterricht wie ich ihn bisher erlebt habe, wird einfach gesagt, mach es so. Es wurden des Öfteren noch theoretischen Begründungen geliefert. Die Sinnhaftigkeit vieler Dinge habe ich erst später wirklich mit meinen Sinnen nachvollzogen. Es gab aber auch Sachverhalte, deren Verbesserung sich mir sofort erschloss. Und erstaunlicher Weise lernte ich diese Dinge immer deutlich schneller als die Dinge, die mir nur theoretisch klar waren.
Auf Grund des Buches von Heinrich Jakoby ist mir ein Prinzip eingefallen, was ich früher sehr häufig für mich selbst verwendet habe. Ich nenne es Parametervariation. Ein Beispiel, ich habe bei den Fingern der linken Hand einfach den Saitenkuppenkontaktpunkt gezielt verändert. Je nachdem was möglich war kamen da auch schon mal acht Positionen zusammen. Ich verglich, bei was für einem Kontaktpunkt mein Finger am sichersten greifen konnte.
Die Konsequenz dieser Erinnerung war, den Schüler zwischen seiner unbewussten Lösung und meiner Lösung hin und her probieren zu lassen. Bloß wie man an dem Trittfrequenzbeispiel sehen konnte, kann das Vergleichen eher kontraproduktiv wirken.
Folgende Dinge sollten meiner Meinung nach beachtet werden, um ein sinnvolles Vergleichen zu ermöglichen.
Über Wirkungen sich im Klaren sein
Eine Veränderung eines bestimmten Parameters kann mehrere Folgen haben. Die Frage wird es dadurch besser oder leichter, ist dann eine zu unpräzise Frage. Zum Beispiel bei der Trittfrequenzänderung sinkt zwar die Anstrengung in den Beinen, aber der Kreislauf wird je nach Trainingszustand etwas mehr oder weniger deutlich angekurbelt. Das wird eher als unangenehm empfunden. Wer darauf fokussiert, blendet vielleicht die Erleichterung in den Oberschenkel aus und ist weniger leicht zu überzeugen, wenn man nur fragt, geht es jetzt besser.
Oder das senkrechte Greifen des Endgliedes. Die Kraftübertragung ist optimal, aber die empfindlichste Stelle einer Anfängerfingerkuppe wird belastet.
Annäherungen entwickeln
In unserem Experiment oben, habe ich sie erst 120 Mal pro Minute treten lassen. Bei dieser Bedingung konnten Sie gar keine Vorteile feststellen. Bei dem Experiment, mit der halben gewohnten Trittfrequenz und der leicht erhöhten Frequenz konnten Sie eine Ahnung bekommen, was der Vorteil einer höheren Trittfrequenz sein könnte.
Für die Gitarre. Bei Kindern ist der 2. Finger gerne weit weg vom a, wenn sie mit 1 und 3 gemeinsam greifen. Kinder bekommen es leichter hin, den zweiten Finger in die Nähe des Griffbrettes, so dass sich der Finger in der Nähe des fis sich befindet, zu bringen. Die Krümmung des Fingers zu durchbrechen, so dass der Finger auch über dem a schweben könnte, ist ein ungeheurer Kraftakt. Trotzdem merken die Kinder wenn sie den Finger nur nahe über die Gegend des cis/fis bringen, dass es leichter ist, das a zu treffen.
Durch diese Erfahrung kann auch klar werden, dass ein Schweben über dem a noch sinnvoller ist.
Güterabwägung
Die optimale Ausgestaltung eines Parameters bei einem Finger, hat zu starke negative Folgen für einen anderen Finger.
Nehmen wir den Griff G7. Der Aufsetzwinkel des Endgliedes ist für keinen der einzelnen Finger optimal. Würde man den 3. Finger in Bezug zur Kraftübertragung optimalen aufsetzen, dann müsste sich der 1. Finger in einer Art und Weise krümmen, dass es unangenehm wird und dieser Finger hätte eine sehr schlechte Kraftübertragung.
Zielkonflikte
Der Zielkonflikt ist eigentlich das gleiche wie die Güterabwägung. Aber die optimale Lösung für das Ziel Griffsicherheit, kann andere Ziele beeinträchtigen. Da andere Ziele eher ausgeblendet werden, möchte ich es extra erwähnen.
Beispiel, mit dem Holzfällergriff bekommt man wunderbar Kraft auf die Saiten. Aber beim dem breiten Hals der Konzertgitarre, wird damit die Beweglichkeit und der Bewegungsradius stark eingeschränkt.
Parameterketten
Die Ausgestaltung eines anderen Parameters beeinflusst das Ergebnis des untersuchten Parameters.
Je nachdem wie der Daumen zum greifenden Finger steht, dementsprechend stabil ist der Finger. Liegt der Daumen sehr ungünstig, dann kann sich der physikalisch richtige Winkel labiler anfühlen als der physikalisch gesehene nicht so geeignete.
So weit zum Einsatz dieses Prinzips im Unterricht. Schüler nehmen viele Dinge in ihrem Spiel einfach hin, weil sie es nicht anders kennen und/oder weil ihnen keine Lösung einfällt. Deswegen könnte es sinnvoll sein, dieses Prinzip dem Schüler für das häusliche Üben an die Hand zu geben.
Indem der Schüler die gängigen Parameter lernt, steht er bei der Frage, was er ändern könnte nicht vor einem leeren großen Suchraum, sondern vor einem kleinen Zimmer mit einigen Möglichkeiten, die er durchprobieren kann. Die Wahrscheinlichkeit eine Lösung zu finden steigt deutlich und damit hoffentlich auch die Bereitschaft über eine Lösung nachzudenken. Das Üben verliert den Charakter des stupiden Wiederholens bis die Finger es vielleicht auch einmal irgendwann begreifen.
Indem der Schüler selbst Lösungen findet, wird er auch merken, dass sich das Ergebnis verändert, die Bewegungsqualität steigt … Dies dürfte dazu führen, dass der Schüler nicht mehr duldend die Ergebnisse seines Übens hinnimmt, sondern versucht diese aktiv zu beeinflussen.
Wichtig dabei ist, dass der Schüler die möglichen Parameter explizit genannt bekommt.
Der Beitrag wurde am Freitag, den 22. Oktober 2010 um 08:07 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrenunterricht, Übemethodik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .