Was mir beim 3D-Animieren so aufgefallen ist – Teil 1
Durch einen Zufall ist mir das Programm Blender in die Hände gefallen. Blender ist eine Opensource-3D-Animationsoftware. Letztendlich ist es möglich, damit Zeichentrickfilme herzustellen. In diesem Video habe ich auf sehr primitive Art versucht, die Bewegung eines Fingers beim Greifen darzustellen. Dem aufgezeichneten Screenvideo (Zum Ansehen: Hier downloaden) kann man entnehmen, dass ich diese Bewegung aus mehreren Blickwinkeln verfolgen kann. Letztendlich kann ich mir diese Bewegung aus jedem beliebigen Blickwinkel ansehen.
Die Idee war eigentlich nicht nur eine Fingerspitze zu bewegen, sondern einen ganzen Finger. Aber dann wird der dahinterstehende Mechanismus nicht so gut erkennbar. Deswegen habe ich den restlichen Finger wieder weggeschnitten und nur die Fingerspitze übrig gelassen.
Lehrreich für mich waren einige Dinge. Zuerst, wie ich dem Programm klarmache, wie es meine Fingerspitze bewegen soll.
Ich musste ein Skelett, das in der Struktur identisch mit dem Fingerskelett ist, entwerfen. Darüber steuere ich dann auch meine Fingerspitze.
Aus Gitarrenlehrwerken kenne ich die Darstellungsweise, dass die Bewegungsbahn der Fingerkuppe skizziert ist. So wurden auch mir meistens Bewegungen erklärt und so erkläre ich sie auch meistens.
Blender will aber andere Angaben. Blender will die Stellungen der einzelnen Knochen wissen. Betrachtet man sich die Sache genauer, erscheint diese Art der Bewegungsdefinition als die einzig mögliche. Aus einer Bewegungsbahn geht nicht hervor, was für Körperteile beteiligt sind. Sind mehr als zwei Körperteile beteiligt, gibt es für jeden Punkt der Bewegungsbahn mehrere Gliederstellungen, mit der in unserem Fall, die Position der Fingerspitze verwirklicht werden kann. Eine Berechnung dürfte damit sehr komplex und damit zu aufwendig werden. Vielmehr könnte es auch so sein, dass die Bewegung der einzelnen Glieder gar nicht berechnet werden kann.
Bei der Eingabe der Knochenstellungen sind mir einige Dinge aus meinem Unterrichtsalltag klar geworden. Zum Beispiel bei meinem greifenden Finger benötige ich nur drei Gliederbewegungen. Das Grundglied bewegt sich seitwärts. Das Mittelgelenk schließt oder öffnet sich, das Grundgelenk schließt sich.
Das Problem für die Eingabe war, die richte Bewegungsgröße der einzelnen Bewegungselemente zu bestimmen. Das ist Schätzarbeit.
Als ich mir dann den Bewegungsablauf ansah, indem alle drei Bewegungen zeitgleich ablaufen, fiel mir auf, obwohl ich wusste, wo sich etwas tut, wie schwer es war, die Bewegungen zu erkennen und den Umfang der einzelnen Bewegungen. Dies obwohl ich mir den Bewegungsablauf aus mehreren Blickwinkel ansehen kann.
Bei den Perspektivwechseln fiel mir weiter auf, dass die Teilbewegungen sich je nach Perspektive gut oder schlecht erkennen lassen. Wobei jede Teilbewegung ihre optimale Perspektive hat.
Die Schülerperspektive ist für die Beobachtung keiner der Teilbewegungen optimal. Sie ist im Vergleich zu anderen Perspektiven eher hinderlich. Aber sie ist auch nicht die Schlechteste.
Natürlich habe ich auch mit einigen Schülern ausprobiert, ob sie die Bilder auf dem Bildschirm in die Wirklichkeit umsetzen können. Damit meine ich nicht nur, ob sie die Kunstknochen auf dem Bildschirm ihren eigenen Knochen zuordnen können.
Mich hat auch interessiert, ob die Schüler die Einzelbewegungen von der Ausgangsposition zur Endposition angeben können. Und so durften sie probieren.
Letztendlich hat es fast jeder geschafft.
Interessant war aber, bei was für Bewegungen die Schüler mehrere Anläufe brauchten. Die Seitwärtsbewegung des Grundgliedes war eigentlich nie das Problem. Aber was für Bewegungen man machen muss, um die Fingerkuppe in das Ziel zu bringen, war dann gar nicht klar.
Die meisten Schwierigkeiten bereitete den Schülern zu erkennen, dass man das Mittelglied nach oben bewegen muss, damit die G-Saite getroffen werden kann. Dabei habe ich dem System noch nicht beibringen können, dass das Endglied sich beim Beugen des Mittelgelenkes mitbewegt.
Bemerkenswert war, obwohl die Aufgabe lautet, wie bewegst Du die Knochen, damit der Handrücken ruhig bleibt, einige Schüler den Handknochen doch parallel verschieben wollten.
Also versetzen wir uns jetzt in die Lage eines Schülers.
Der Schüler bekommt eigentlich nicht einmal eine Bewegungsbahn von uns vorgegeben, sondern ein Ziel, wo der Finger landen muss. Dabei wird die Bedingung gestellt, die Hand möge ruhig bleiben.
Also der Schüler muss herausfinden, was er da eigentlich macht.
Dabei fehlen ihm die Informationen, auf was für Teilbewegungen er achten muss. Es wird ihm nicht einmal gesagt, dass dies sinnvoll wäre. Durch die Zeitgleichheit der Teilbewegungen und die perspektivischen Beeinträchtigungen fällt es, schwer diese zu erkennen.
Erschwerend kommt dazu, er hat nicht die Klarheit und Übersichtlichkeit eines einzelnen Fingers wie in meinen Animationen, sondern er hat seine komplette Hand im Blickfeld, in der die unwillkürlichen Teilbewegungen der anderen Finger die Beobachtung weiter erschweren.
Wie schon oben geschrieben, obwohl ich am Computerbildschirm optimale Bedingungen der Beobachtung habe, habe ich meinen Finger auch nur mit mehreren Anläufen ins Ziel gebracht. Wenn ich das System vorführe, schaffe ich es immer noch nicht auf Anhieb.
Auf den Schüler übertragen bedeutet dies, er muss lernen die Situation richtig einzuschätzen. Leicht wird es ihm aber nicht gemacht.
Die Frage lautet, wie äußert es sich, wenn der Schüler sich verschätzt. Entweder er trifft nicht oder er rettet die Situation durch eine Ersatzbewegung, die meist eine Handbewegung ist.
Also wenn der Schüler die Hand bewegt, bedeutet dies nicht, dass er die Hand immer noch nicht ruhig halten kann, sondern dass er die eigentliche Bewegung nicht verstanden hat, bzw. sich verschätzt hat.
Durch die Beschäftigung mit Blender ist mir aufgefallen, dass die Formulierung „Die-Hand-bleibt-ruhig” eine sehr ungenaue und nicht hilfreiche Beschreibung des Sachverhaltes ist. Eigentlich ist eine Bewegung des Handrücken die Folge einer
- Bewegung des Oberarms (Drehpunkt: Schulter)
- Bewegung des Unterarms (Drehpunkt: Ellenbogen)
- Bewegung des Handgelenkes
- Bewegung einer der Daumenknochen, der ein Nachfolgen im Handgelenk, Ellenbogen oder in der Schulter notwendig macht.
Der Beitrag wurde am Freitag, den 23. Dezember 2011 um 08:51 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrentechnik, Gitarrenunterricht, Technik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .