Der Ton hat eine Länge
Ab und zu machen Schüler Fehler, an welchen man merkt, woran manche Erklärungskonzepte und Denkkonzepte wirklich kranken.Wie schon an anderen Stellen des Blogs berichtet, lasse ich mittlerweile Schüler die Stücke nachspielen und aufschreiben. Jetzt schreibt die erste Schülerin die ersten zweistimmigen Stücke nach Gehör auf. Der eigentliche Notentext sah so aus,
Die Schülerin machte daraus:
Bei dem Notenbeispiel der Schülerin wird eigentlich nur klar, wann die Noten angeschlagen werden, aber nicht wie lange.
Als ich versuchte der Schülerin zu erklären, warum die erste Schreibweise richtig sei, stieß ich auf massiven Verständniswiderstand. Im Laufe meiner Erklärungsversuche kristallisierte sich heraus, dass meine Schülerin zwar schon mitbekommen hat, dass ein Notenwert auch eine Tonlänge hat, aber dem keine Bedeutung beimisst oder nicht in ihre Überlegungen einfließen lässt.
Nachdem ich es erlebt habe, merke ich, dass wir Musiker stillschweigend annehmen, dass das mit der Notenlänge schon klar ist.
Normalerweise erklären wir: „Die Note sagt dir, wie lange ein Ton klingt.” Den nach diesem Erlebnis von mir als notwendig erachteten Zusatz, und bestimmt, wann der nächste Ton erfolgt, unterlassen wir.
Einige Wochen später notierte dieselbe Schülerin einen mir vertrauten Fehler.
Aus:
wurde:
Als ich der Schülerin die Stelle noch einmal die Stelle vorspielte, kam als erste Reaktion: „Wieso, da kommen doch drei Töne schnell hintereinander.” Erst meine Frage, wie lange der dritte Ton klingen würde, entlockte ihr die Reaktion. „Stimmt der klingt ja länger.”
Diese Reaktion erinnerte mich an einen Artikel, in dem Versuche mit Kindern gemacht wurden, in denen diese Rhythmen aufschreiben sollten. Zweck der Versuche war, ob Piagets Entwicklungsstadien auch in der Musik feststellbar seien. Der Fehler meiner Schülerin wäre ein Indiz dafür.
Das Problem ist, diese Schülerin ist älter als ich.
Ob jetzt dieses Wissenschaftler recht haben oder nicht, ist aber gar nicht mein Thema. Mir ist durch diese Vorfälle etwas anderes klar geworden, dass anscheinend bezüglich der rhythmischen Parameter bei Notenschrift nur ein Parameter als relevant wahrgenommen wird. Wann beginnt die Note. In sofern würde ich die Deutung dieser Wissenschaftler nicht zustimmen, so lange nicht klar ist, ob die Probanden nicht ähnlich unsauber über rhythmische Notation denken, wie von mir vermutet.
Ich kann zwar nur aus meinem Unterricht berichten, aber wenn es darum geht herauszufinden, wann kommt eine Note, dann wird die Zählweise daruntergeschrieben, und dann festgestellt, der Ton kommt dann und dann.
Was aber bei dieser Betrachtungsweise nicht klar wird, dieser Ton kann erst zu diesem Zeitpunkt kommen, weil die Note davor vorbei ist.
Ist diese Erkenntnis wirklich relevant? Ich weiß es nicht, aber es gibt immer wieder Erlebnisse, die mich fragen lassen, warum kommt bei den Schülern immer so schwer an, dass ein Ton eine Dauer hat.
Es liegt vermutlich daran, dass es letztendlich bei rhythmischen Fragen darum geht, wann ein Ton anfängt.
Persönlich würde es mich auch interessieren, ob bei Instrumenten, denen man zur Tonerzeugung kontinuierlich Energie zufügen muss, die Schüler weniger Verständnisfehler mit dem Konzept Tondauer haben als bei Instrumenten, bei denen der Ton nur mit einem Impuls erzeugt wird?
Der Beitrag wurde am Freitag, den 29. Juni 2012 um 08:12 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gehör, Gitarre lernen, Gitarrenunterricht abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .