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Gitarrenunterricht in Frankfurt

Dipl.-Gitarrenlehrer Stephan Zitzmann

Vorstellung und Wirklichkeit – 6

Ich habe verschiedene Anleitung zum mentalen Training beim Erlernen eines Stückes gelesen. Die meisten setzen meiner Meinung nach stillschweigend voraus, dass der Spieler sich die einzelnen Bestandteile eines Stückes problemlos vorstellen kann. Also dass die Vorstellungen richtig und plastisch genug sind.

Ziehe ich aber die Ergebnisorientierterheit des Instrumentalunterrichtes und des Übens in Betracht, habe ich starke Zweifel daran, dass Vorstellungen wirklich so plastisch werden können. Beim Üben achtet man darauf, dass das Ergebnis stimmt. Aber man prägt sich eigentlich nicht ein, wie der Weg zum Ergebnis sich angefühlt, ausgesehen oder angehört hat. Teilweise ist es auch so, dass durch die Steuerungsaufgaben, die man zu bewältigen hat, teilweise auch der auditive Eindruck des Stückes ein verfälschter ist, bzw. gar nicht wahrgenommen wird.

Also muss man sich, um sich ein Stück vorstellen zu können, die Wirklichkeit sehr gezielt und sehr bewusst wahrnehmen. Dann muss man versuchen, ob man sich an diese wahrgenommene Wirklichkeit erinnern kann. Aus diesen Erinnerungen ist es dann möglich, sich eine Vorstellung zu konstruieren.

Ich möchte am Beispiel eines neu zu erlernenden Stückes darstellen, was ich mit der Verwendung der Erinnerung meine.

Folgende Schritte sollen durchlaufen werden:

1.      Stelle dir den nächsten Klang vor.

2.      Spiele

3.      Vergleiche deine Vorstellung mit dem gehörten Klang. Weicht der wirkliche Klang von der Vorstellung ab und ist besser, dann versuche dich an diesem Klang mehrmals zu erinnern.

Nachdem man einen Abschnitt mit dieser Methode mehrmals durchgearbeitet hat, sieht man sich den kompletten Abschnitt an und versucht sich pro Note an den Klang zu erinnern. Bei den Tönen, bei denen man sich schlecht erinnert, kann man sich nochmal den realen Klang vorspielen. Wenn dann die erinnerten Klänge einigermaßen plastisch vor das innere Ohr treten, versucht man diese Klänge rhythmisch korrekt im Kopf anzuordnen.

In diesem Beispiel zeigt sich aber auch ein Problem der Methode. Die Frage ist, kann man die Klänge überhaupt korrekt im Kopf anordnen? Vielleicht wird Rhythmus noch gar nicht so richtig beherrscht. Oder die Koordination die innerlich gehörten Klänge korrekt zum innerlichen Zählen zu positionieren, stellt schlichtweg eine Überforderung dar.

Ähnliches kann man mit Erinnerungen in Fragen der Motorik arbeiten. Der Schüler greift ein Ton und achtet zum Beispiel auf die Krümmung des Fingers, den Saitenkontaktpunkt auf der Fingerkuppe. Dann versucht er sich mehrmals, an das wahrgenommene Gefühl zu erinnern. Wenn die Erinnerung auch hier wieder plastisch genug ist, versucht er aus diesen Erinnerungen eine Vorstellung passend zum Rhythmus des Stückes zu konstruieren.

Oder ein anderes Beispiel. Eine Bewegung missglückt. Ich bitte den Schüler, diese Bewegung alleine auszuführen. Er soll sich darauf konzentrieren, die sich diese Bewegung angefühlt. Dann wieder die Aufforderung sich an das Bewegungsgefühl mehrmals zu erinnern. Wenn dieses möglich ist, spiele ich die Stelle und der Schüler versucht seine Bewegung sich zur Musik vorzustellen. Dann muss der Schüler die Stelle spielen. Wenn sie gelingt, soll er sich nur daran erinnern, wie die Stelle geklungen hat und wie sie sich angefüllt hat. Missglückt die Stelle, soll der Schüler versuchen den entscheidenden Aspekt in der Erinnerung zu verändern.

Bei meinen praktischen Versuchen gab es Schüler oder Situationen, wo ich diese Erinnerungsmethode explizit nicht angewendet habe.

Auffallende und interessant an der Methode mit Erinnerung und Vorstellung ist meiner Meinung nach, dass sich teilweise dieselben Probleme wie sie beim wirklichen Spiel stellen. Denkt man an alles? Ist die Vorstellung richtig konstruiert? Kann man die Vorstellungen überhaupt zueinander koordinieren? Usw. usw.

Daraus können Situationen entstehen, bei denen ich mir als Lehrer extrem unsicher bin, dass die Auskünfte des Schülers über den Bewusstseinsinhalt richtig sind. Um die Kontrolle über diese Bewusstseinsinhalte zu haben, muss ich ja alle Ergebnisse sehen.

Natürlich frage ich mich auch, warum diese Methode bei vielen Schülern gut anschlägt. Einerseits dürfte es daran liegen, dass durch die Vorgehensweise sehr viel Zeit für das Bilden einer Vorstellung zur Verfügung steht. Dass diese damit wesentlich ausgefeilter ist, als bei einer herkömmlichen Erklärung, dürfte klar sein.

Aber ich glaube es kommt auch ein anderer Punkt hinzu. In der Vorstellung können keine Fehler geschehen. Der Finger trifft immer in der Vorstellung. Damit fallen alle Aktivitäten weg, um das Ergebnis zu retten. Diese Aktivitäten lenken beim realen Spiel von der eigentlichen Planung und Wahrnehmung der Bewegungsausführung bzw. Klang Ergebnis ab.

Je länger ich aber über dieses Thema nachdenke, und den Unterrichtsverlauf bei meinen Experimenten mir für gegenwärtige, dann könnte vielleicht ein wesentlicher Punkt sein, dass Vorstellungen zu wenig explizit und plastisch im Kopf sind.

Ich habe ein interessantes Phänomen beobachtet. Fordert man einen Schüler auf, sich eine Stelle vorzustellen, dann benötigt dieser in den meisten Fällen sehr viel weniger Zeit, als die Stelle benötigt. Der Effekt von solcher Art der flüchtigen Vorstellung ist ein geringer. Bestehe ich aber darauf, dass die Vorstellung genauso viel Zeit verbraucht wie der Vorgang in der Wirklichkeit, dann sind die Effekte des Vorstellens wesentlich deutlicher.

Ich komme wieder zu der These, vielleicht ist gar nicht das Problem sich etwas vorstellen zu können, sondern dass wir der Vorstellung und der Imagination zu wenig Raum und Zeit einräumen.

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Der Beitrag wurde am Freitag, den 4. Januar 2013 um 08:55 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrenunterricht, Übemethodik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .