So viele Fragen an die Wissenschaft – Teil 1
Ich habe mir das Buch Körperorientierte Ansätze für Musiker – Hrsg. Claudia Spahn gelesen, weil ich mir Aufklärung über die Sinnhaftigkeit dieser körperorientierten Ansätze versprach. Einerseits beschäftige ich mich mit diesen oder führe diese ganz gerne aus, weil ich es als hilfreich empfinde. Andererseits hege ich seit Anbeginn dieser Beschäftigung ein Misstrauen gegen diese Ansätze. Und frage mich, ob ich mich damit auch verrenne oder verrennen kann.
Woraus resultiert dieses Misstrauen?
Die Heilsversprechungen
Ich möchte das Grundproblem an dem Buch „Die Kunst des Zens im Bogenschießen“ von Eugen Herrigel verdeutlichen. Auf dieses Buch wurde ich von meinem Lehrer hingewiesen. Einerseits fand ich es interessant.
Aber in diesem Buch wird eine Sehnsucht angesprochen oder ein Versprechen getätigt. Gehst Du diesen langen Weg beharrlich, wirst Du zu überdurchschnittlicher oder übermenschlicher Leistung befähigt sein.
So locken aber auch z.B. Sekten. Aber viele dieser Ansätze lassen das Motiv der überragenden Leistungsfähigkeit durchblitzen. Also die Frage bei vielen Ansätzen ist, wie manipulativ oder wahrhaftig sind sie?
Die subjektive Komponente
Ich kenne nur Aussagen von Personen, die sagen: „Das hat mir geholfen.“ Aber ich kenne keine Aussagen: „Seit XY Z ausübt, hat er sich fulminant verbessert.“
Bloß subjektiven positiven Aussagen über diverse körperorientierte Ansätze werden von MusikerInnen genauso getätigt, wie z.B. über Bachblüten. Da frage ich mich Placebo oder echte Wirksamkeit wie ein Medikament.
Noch einmal die subjektive Komponente
Es fällt auf, dass sehr viele Ansätze auch Wirkung auf die Psyche haben.
Ich habe zwei Mal nachts Morphium als Schmerzmittel bekommen. Meine erste Stunde Yoga fühlt sich für mich wie der Morgen nach einer Morphiumspritze an. Ich kenne solche Effekte auch von den anderen mir vertrauten Ansätzen.
Wegen eines Neurodermitisschubes bekam ich einmal apothekenpflichtiges Magnesium verordnet. Ähnlich entspannend und stimmungsaufhellend. (Magnesium aus der Drogerie hat bei weitem nicht diese Wirkung bei mir.)
Die Ähnlichkeit des Effekts von Drogen und körperorientierten Ansätzen haben mir ehemalige Drogenabhängige bestätigt.
Deswegen frage ich mich auch, greifen diese Ansätze nicht nur in die Koordination und Körperwahrnehmung ein, sondern verändern sie auch die Kognition ähnlich wie Drogen und Medikamente. Also man erlebt das eigene Musizieren besser, aber es wird nach außen hin doch nicht besser.
Ich muss mich dieser Dummheit selber bezichtigen. Kenne aber eigentlich nur MusikerInnen, die die gleiche Dummheit begehen. Sich aufnehmen vor der Methode und nach der Methode habe ich und andere nie gemacht. So kann man sich furchtbar viel einbilden.
Effizienzforschung
Auch wenn man eine verlässlichere Selbstevaluierung betreiben könnte, man kann zwar eine Verbesserung feststellen. Aber die Frage bleibt, wie viel hätte „normales“ Üben gebracht. Mehr, weniger oder gleich viel?
Da lobe ich mir den Sport, wo es Vergleiche von Trainingsmethoden gibt. Zwanzig Leute trainieren so, zwanzig so, danach wird die Leistung gemessen. (Ja musikalische Qualität kann man nicht messen, aber Fähigkeitsveränderungen schon.)
Claudia Spahn postuliert in ihrem Buch „Körperorientierte Ansätze für Musiker“ schon mit dem Untertitel „Methoden zur Leistungs– und Gesundheitsförderung“ eine Leistungsförderung von körperorientierten Ansätzen für Musiker. Dies tut sich auch in den von ihr geschriebenen Einführungskapiteln.
Studien, die als Beleg dienen könnten, nennt sie nicht, sondern sie führt Theorien und Erkenntnisse an, die es plausibel erscheinen lassen, dass es so sein könnte.
Momentan steht die Homöopathie unter Beschuss. Deswegen finden sich auch immer wieder Quellen, die erklären, was für ein Problem die Homöopathie bezüglich des Wirkungsnachweises unter wissenschaftstheoretischer Aspekten hat. Diese Probleme haben für mich auch viele der körperorientierten Ansätze. Die räumt Frau Professors Spahn Buch nicht aus. Ich wäre geneigt zu sagen, man scheint das Problem nicht einmal begriffen zu haben.
Deswegen keimen diese Zweifel wieder besonders stark und ich werde hier demnächst aufschreiben, was ich mal ganz gerne fundiert von der Wissenschaft wüsste und hätte.
Der Beitrag wurde am Freitag, den 6. Dezember 2019 um 07:59 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Buchbesprechung, Forschung, Gitarre lernen, Gitarrenunterricht, Übemethodik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .