So viele Fragen an die Wissenschaft – Teil 2
In „So viele Fragen an die Wissenschaft – Teil 1“ beschreibe ich mein Unbehagen an den „körperorientierten Ansätzen“. Letztendlich hätte ich von der Wissenschaft gerne mehr als die Plausibilitätsannahme, es müsste etwas nutzen und es gibt Leute, die sagen es hilft ihnen etwas.
Wie auch schon geschrieben, mir behagt die Subjektivität der Belege nicht. Viele behaupten ja musikalische Qualität ließe sich nicht messen. Und mit diesem Satz wird das Denken dann eingestellt.
Aber an vielen Musikhochschulen werden körperorientierte Ansätze angeboten oder sollen sogar zum Pflichtprogramm der Studenten gehören. Da müsste es doch genügend Forschungsmöglichkeiten geben, die über die Subjektivität hinausreichen.
Warum nicht die Professoren befragen, ob sich Studierende, die während des Studiums anfangen sich mit einem körperorientierten Ansatz zu beschäftigen, anders oder besser entwickeln. Wenn all diese Ansätze leistungsfördernd sind, müsste bei den niedrigen Zugangsschwellen, die diese Angebote mittlerweile haben, der komplette Lehrkörper doch eine Meinung zu dem Thema haben.
Weiter könnte man auch untersuchen, wie sich die Fähigkeitsprofile der Studierenden verändert haben, die sich mit solchen Ansätzen beschäftigen und welche nicht. Irgendetwas müsste sich ja messen lassen.
Aber viel spannender finde ich, warum diese Ansätze wirken könnten.
Die Defizittheorie
Ich war relativ verblüfft, als ich in Claudia Spahns Buch QiGong fand. Denn ich hatte eine Klavierkollegin die Qigong betrieb und leicht missionarisch puncto Qigong war. Aber das es am Instrument helfen würde, das habe ich von ihr nie gehört.
Ein Schüler von mir macht Pilates. Wegen des Buches fragte ich ihn, ob er etwas merken würde. Ich erntete verständnislose Blicke.
Das erinnerte mich an einen Tanzkurs an unsere Musikhochschule. Die Teilnehmer befanden, es hätte ihnen auch neue Einblicke beim Instrument verschafft, weil sie ihren Körper anders kennengelernt hätten. Es gab aber auch Teilnehmer, die von Kind auf oder seit der Jugend auch tanzten. Diese Teilnehmenden bemerkten keine solche Effekte.
Die Leidensdrucktheorie
In meinem Studium konnte ich feststellen, dass die meisten Kommilitonen sich mit solchen Ansätzen beschäftigten, entweder sich mit solch einem Ansatz beschäftigten, weil sie immer wieder körperliche Probleme durch das Instrumentalspiel hatten oder unzufrieden mit ihrer Entwicklung waren.
Mir bekannte Psychotherapeuten sagen, gibt es keinen Leidensdruck, funktioniert die Therapie nicht. Denn der Leidensdruck sorgt dafür, dass sich die Leute wirklich mit ihrem Problem auseinandersetzen und die gegebenen Hinweise wirklich an ihrem Problem abarbeiten.
Die Hoffnungstheorie
Eigentlich ist das die Leidensdrucktheorie in Grün. Wie ich schon an anderer Stelle bemerkte, präsentieren sich einige Ansätze doch sehr reißerisch, aber auch wissenschaftlich. Vielleicht versetzt auch der Glaube an den Ansatz die Berge.
Die Regenerationstheorie
Wer sich mit einem körperorientierten Ansatz beschäftigt, muss sich dafür Zeit nehmen. Damit unterbricht man aber auch den Alltagsstress und übt vielleicht auch weniger. Was dann auch ganz gut tut und als Hilfe wahrgenommen wird.
Es wäre schön, wenn Wissenschaft diese Theorien widerlegen würde. Denn, wenn man solche Ansätze von wissenschaftlicher Seite empfiehlt, hätte ich z.B. gerne, dass ich davon ausgehen kann, dass die Zeit grundsätzlich sinnvoll investiert ist.
Der Beitrag wurde am Freitag, den 13. Dezember 2019 um 08:01 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Buchbesprechung, Gitarre lernen, Gitarrenunterricht, Lernen, Übemethodik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .