Dem Ton ins Verschwinden folgen – Teil 1
Ein kleines Experiment. Erster Teil. Man schlage einen Ton an und beobachtet, wie lange man den Ton hören kann. Dieses macht man mehrmals.
Ich mache dieses Experiment mit meinen Schülern. Für mich erstaunlich, Sie hören den Ton genauso lange wie ich. Warum ist das erstaunlich für mich? Wenn es um die Frage geht, hörst Du das Ende des Tones, höre ich deutlich mehr und besser als meine SchülerInnen.
Zweiter Teil des Experimentes. Spiele und versuche den Tönen genauso zu zuhören, wie beim ersten Teil des Experimentes. Versuche sie genauso mit dem Gehör zu verfolgen.
Das Ergebnis bei mir, ich höre genauer und kontinuierlicher hin. Meine linke Hand reagiert mehr wie bei einem Blasinstrument. (Siehe https://www.gitarrenunterricht-frankfurt.de/2009/02/13/querfloetenunterricht-hilft/)
Diesen Teil des Experimentes habe ich auch schon mit SchülerInnen gemacht. Alle sagen übereinstimmend, man würde sich anders und intensiver zuhören. Was berichten meine SchülerInnen noch.
- Bisher hätte man den Ton zur Kenntnis genommen, und sich dem nächsten Ton zugewendet.
- Langsam üben, wäre damit nicht mehr so schlimm, weil man zwischen den Tönen eine Aufgabe hätte.
Meine Beobachtung ist, dass sich bei den Tonabhackern sich das Tonende weiter nach Hinten verlegt, weil das frühzeitige Vortasten unterlassen wird. SchülerInnen, die Löcher zwischen ihren Tönen normalerweise nicht erfassen, bekommen diese jetzt eher mit.
Warum hört man auf einen Ton zu zuhören?
Kognitive Anstrengung 1
Wer den ersten Teil des Experimentes macht, wird vielleicht feststellen, wenn der Ton leiser wird, kommt ein Punkt, bei dem man sich mehr bemühen muss, dem Ton zu folgen. Es handelt sich bei mir eher um einen plötzlichen Anstieg. Das dürfte der Punkt sein, wenn man nicht darauf achtet, dass man dem Ton nicht mehr zuhört.
Die Veränderung des Tones
Beim Blasinstrument ist es am Anfang so, dass der Ton für das Ohr gleich bleibt.
Bei der Gitarre wird der Ton nicht nur leiser, sondern er ändert sich auch anders. Das zu hörende Frequenzspektrum ändert sich. Z.B. der Grundton verschwindet und nur Obertöne bleiben. Oder es bleiben die Resonanzen der anderen Saiten bestehen.
Aber würde man einer/m musikalischen Laii/en nur den Anfang eines Gitarrentones und das Ende eines Gitarrentones vorspielen, würden vermutlich die meisten verneinen, dass diese Bestandteile ein und desselben Tones sind.
Ich vermute, es wird der erste Klangeindruck als das Wesen des Tones identifiziert. Wenn dieser Klangeindruck nicht mehr besteht, gilt der Ton als beendet, obwohl er in veränderter Gestalt weiter klingt.
Kognitive Anstrengung 2
Diesen Faktor bemerke ich, wenn ich einen komplizierten Wechsel habe. Ich fokussiere so auf die Koordination, sodass der Ton aus dem Bewusstsein schwindet. Bzw. weil der Ton wegen seines Verklingens schon eine höhere kognitive Anstrengung braucht, um im Ohr zu bleiben, fällt gar nicht auf, dass wegen des koordinativen Bemühens, das Ohr nicht mehr zuhört.
Für ein/e AnfängerIn ist jeder Tonwechsel ein erhöhtes koordinatives Problem. (Wenn Menschen bei mir zum ersten Mal sind, müssen sie einen einfachen Tonwechsel spielen. Spielt der/die Interessentin schon ein Instrument, dann meinen alle übereinstimmend, auf der Gitarre sei es deutlich schwerer.)
Der Beitrag wurde am Freitag, den 16. April 2021 um 08:53 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gehör, Gitarre lernen, Gitarrentechnik, Gitarrenunterricht, Musikalität, Übemethodik abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .