Die Kolonisierung unserer Ohren (Teil 2)
Kann man Musik aufzwingen?
Ein weiteres Zitat aus dem Artikel: “Wer prägte die globale Hörästhetik, hin zu einer, wie yamomo es nennt, “Kolonisierung unserer Ohren”?“
Ich weiß nicht, ob es diese Dominanz der westlichen Musik gibt. Aber wenn ja, würde mich da so Einiges interessieren.
Die weißen Nordamerikaner haben eine teilweise gewaltvolle Assimilationspolitik gegenüber den Ureinwohnern betrieben und sind gescheitert. Manche Dinge konnten sie diesen Menschen aufzwingen andere nicht. Aber auch interessant andere kulturelle Dinge, wie Pferde, Gewehre und übermäßige Ausbeutung der Natur übernahmen die indigene Bevölkerung freiwillig.
Oder manche Völker der amerikanischen Ureinwohner kannten das Konzept eines dritten Geschlechts, welches als normales vollwertiges Mitglied der Gemeinschaft galt. Durch die Missionierung zum Christentum wurden solche Menschen geringgeschätzt. Nachdem diese Völker zu nichts mehr gezwungen werden, lehnen sie trotz aller Liberalisierung das Konzept eines dritten Geschlechts ab.
Also wie funktioniert kultureller Transfer? Kann trotz Gewalt freiwillige Übernahme von Kultur stattfinden? Warum leben manche Dinge nach einer Befreiung wieder auf, aber andere werden weiterhin abgelehnt?
Wie ist das bei Musik? Kann man Menschen zu einer bestimmten Musik erziehen oder indoktrinieren? Also würde ich Fan von indischer Musik, wenn man mich jahrelang damit berieselt? Oder geschieht bei Musik einfach eine Abstimmung mit den Füßen.
Ein Kommentator unter dem Artikel hat eine meiner Meinung nach sehr interessante Idee aufgebracht. Die Verbreitung und Dominanz der westlichen Musik würde nicht wegen Aufoktroyieren oder Gewöhnung funktionieren, sondern: „Aber so ist das, Mac D. verdrängt die einheimische Küche, Fett und Kohlehydrate machen süchtig, eine einfache Kadenz offenbar auch.“
Er weist in dem Zusammenhang daraufhin, dass die Skalen der westlichen Musik verglichen zu anderen Musiken eher simpel sind.
Die Kanonfrage
Weil diese Kolonialfragen in letzter Zeit in meinem Medienkonsum immer wieder aufploppen, stelle ich mir die Frage, haben andere Kulturen und Musiken Kanons oder handelt es sich um eine Eigenart der europäischen Kultur Kanons entwerfen zu müssen?
Könnte es am Ende nicht so sein, dass der Wunsch in den Kanon aufgenommen zu werden, eine letztendliche Unterwerfung unter einen Hierarchisierungswahn der europäischen Kultur ist, der letztendlich auch die Rechtfertigung für den Kolonialismus geliefert hat. Quasi man bettelt um die Anerkennung der Peiniger. Vielleicht wäre es sinnvoller den europäischen Kanonbegriff zu hinterfragen.
Die europäische Sondersituation
In Europa war Musik immer auch eine politische Frage. Man repräsentierte damit, die Kirche wollte damit ihre Einheit festigen. Damit entstand eine geförderte Musik, eine Konzentrierung von Musikern.
Meine erste Frage, ist das wirklich nur eine europäisches Phänomen oder gibt/gab es das doch auch in anderen Kulturen?
Die zweite Frage, was bedeutet dies für die musikalische Entwicklung? Ist diese Förderung ein Katalysator für die musikalische Entwicklung oder nur richtungsgebend?
Was meine ich? Würde sich die Mehrstimmigkeit ohne diese Protektion vielleicht erst heute entwickeln oder gar nicht, weil ohne diese Strukturen unmöglich?
Die dritte Frage. Zu dieser muss ich etwas ausholen. In der Entwicklungspsychologie und Biologie gibt es das Konzept, dass die Ontogenese die Phylogenese nachbildet.
Auf mein Thema bezogen, wenn die europäische Situation ein Katalysator war, hat die europäische Musik schon das entwickelt, was andere Musiken noch entwickelt hätten, wären die Europäer nicht in ihre Schiffe gestiegen und hätten die dortigen Entwicklungen nicht abgebrochen?
Wie schwarz ist „schwarze“ Musik?
In den Kommentaren zu diesem Artikel tauchte ein Argument häufiger auf. Die Dominanz der „schwarzen“ Musik in der Populärmusik. Jazz, Pop und Rock gelten zwar als Abkömmlinge der Begegnung der afrikanischen und europäischen Musik. Aber ist der Blues nicht eher europäisch mit afrikanischen Einsprengseln?
Der Beitrag wurde am Freitag, den 11. Juni 2021 um 08:54 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Eingeschoben, Krimskrams, Musiktheorie abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .