Perzeptuelle und intentionale Induktion
Wie schon in einem früheren Artikel geschrieben, lese ich das Buch „Lern- und Gedachtnispsychologie“. Dabei geht es auch um Bewegungslernen durch Imitation. Ich fand diesen Teil des Buches bei weiten nicht so erhellend wie den Teil zu den Verhaltens-Effekt-Beziehungen.
Vorab ein kleiner Exkurs.
Mir fiel dabei auf, dass die Autoren sich sehr positiv über die Qualität der Imitationen äußerten. Das deckt sich nicht mit meiner Unterrichtserfahrung. Das soll nicht bedeuten, dass ich den Forschungsergebnissen widerspreche. Aber wenn ich mir die in den Versuchen imitierten Bewegungen ansehe und mich frage, ob solche strengen Qualitätsmaßstäbe wie im Instrumentalunterricht angelegt wurden, dann dürfte es wahrscheinlich eher so sein, dass neuartige Präzisionsbewegung mit hoher Wiederholungsgenauigkeit nicht unbedingt ein Forschungsgebiet des Nachahmungslernens sind.
Also was mir immer wieder auffällt, man muss Forschungsergebnisse mangels geeigneter Untersuchungen auf den Instrumentalunterricht übertragen, immer verbunden mit dem Zweifel und der Frage, hat man das zu übertragende Forschungsergebnis richtig verstanden und dann auch noch richtig übertragen.
Zurück zum Thema. Mir fällt immer wieder auf, wie unterschiedlich gut Bewegungen imitiert werden. Teilweise denke ich mir, es ist nicht nur wichtig, dass man trifft.
In diesem Zusammenhang fällt doch einige berichtete Forschungsergebnisse auf. Sehr junge Kinder sollen nachahmen, mit der rechten Hand an das linke Ohr zu fassen. Bis zu einem bestimmten Alter greifen diese dann mit der linken Hand an das linke Ohr.
Der Grund, Kinder sind kognitiv überfordert, Bewegungsziel und Bewegungsablauf gleichzeitig aufzufassen und richten deswegen ihre Aufmerksamkeit auf das Bewegungsziel.
Setze ich meinen Exkurs in Betracht, dann könnte es vielleicht eine Idee sein, dass diese kognitive Überforderung nicht durch das Lebensalter bedingt ist, sondern durch die Neuartigkeit und Komplexität der Bewegung. Also, dass dann auch ältere Menschen gezwungen auf die zielgerichtete Beobachtung zurückgreifen, wenn die Ausführungsbeobachtung sie überfordert. Und das wäre die Situation im Instrumentalunterricht.
In obengenannten Buch steht auf Seite 71:
Insgesamt zeigen die zitierten Beobachtungen, dass Imitationsbewegungen sowohl von den Eigenschaften der beobachteten Bewegung als auch von Zielen abhängen. Wenn vor allem die Bewegung imitiert wird, liegt eine perzeptuelle Induktion vor.
Wenn die Imitation vor allem vom wahrgenommenen Ziel oder von eigenen Zielen bestimmt wird, liegt eine intentionale Induktion vor (Prinz 2002).
Perzeptuelle und intentionale (zielbezogene) Eigenschaften der Modellbewegungen bestimmen also gleichermaßen willkürliche und unwillkürliche Imitationsbewegungen.
Also es gibt für diese Phänomene Fachbegriffe. Gibt es Fachbegriffe, dann hat sich das in der Forschung als wichtig oder interessant erwiesen.
Für mich ist die Erkenntnis daraus, wenn ich Schüler*Innen etwas vormache, gleich darauf hinzuweisen, dass es in erster Linie um die Bewegungsausführung geht. Auch wenn die Nachahmungen sehr sonderbar ausfallen, die Beobachtungsstrategie zu thematisieren.
Ich finde aber diese Unterscheidung in einem größeren Zusammenhang interessant, ob Instrumentalunterricht je nach Schüler*In eher intentional oder perzeptuelle wahrgenommen wird.
Also man erklärt als Lehrkraft Ziel und Strategie, aber die Schüler*Innen gewichtet die beiden Dinge unterschiedlich.
Weiter, woran könnten solche Gewichtungen liegen?
Der Beitrag wurde am Freitag, den 21. Juli 2023 um 08:12 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Gitarre lernen, Gitarrenunterricht abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .