Werden wir ersetzt?
Vor kurzem bin ich über einen Artikel in der FAZ gestolpert, ob Architekten demnächst durch KI ersetzt werden? Ich sehe auch über andere Berufsgruppen immer mal wieder Artikel, ob und wann sie durch KI ersetzt werden. Deswegen stellte ich mir die Frage, wie sieht das für uns Instrumentallehrer aus? Für mich ist die Frage durch mein Alter irrelevant, aber interessant finde ich sie trotzdem.
Ich habe schon vor längerer Zeit den ZEIT-Podcat „Richard Socher, was denken Maschinen?“ gehört. Aber eine Aussage blieb mir in Erinnerung, es wäre bedeutend leichter einen Radiologen zu ersetzten als eine Putzkraft.
Dazu aber später. Wobei der Radiologe für meine erste Überlegung trotzdem relevant ist. Momentan funktioniert ja KI, indem Unmengen von Daten ausgewertet werden. Mir hat ein Radiologe eines großen Frankfurter Krankenhauses erzählt, er wäre schon mal angesprochen worden, ob er nicht Daten für solche Systeme bearbeiten möchte. Er hat das aus Selbstschutzgründen verneint. Er meinte aber auch, eigentlich hätte er es sich sparen können, denn es gäbe die Daten, die Krankenhäuser könnten Daten und Diagnosen verkaufen, weil die ein Interesse haben würden, weniger teures Personal beschäftigen zu können.
Für den Instrumentalunterricht dürfte gelten, dass es einfach zu wenig Daten gibt, die man auswerten könnte. Diese müssten erst erfasst werden. Dass die Instrumentallehrer da nicht mitmachen würden, dürfte klar sein. Aber gäbe es Institutionen, von denen Instrumentallehrer so abhängig sind, sodass diese die Lehrkräfte zwingen können, Daten zu erfassen. Vielleicht Musikschulen. Aber ob Musikschulen ein wirtschaftliches Interesse haben, ihre Lehrkräfte durch KI zu ersetzen? Ob Eltern es geschehen lassen würden, dass der Unterricht ihrer Kinder erfasst wird, wo stellt man die Technik wie auf, ob Eltern ihre Kinder von Roboter unterrichten lassen würden, usw.
Aber wie viel der Roboter kostet, der adäquat vorspielt, damit der Schüler nachahmen kann, wäre eine spannende Frage? Dabei geht es nicht nur um das auditive Ergebnis, sondern auch um die körperliche Imitation. Die relevanten Körperteile müssten entsprechend menschenähnlich nachgebaut sein.
Richard Socher brachte auch den wirtschaftlichen Nutzen ins Spiel. Es ist wirtschaftlich weniger interessant eine Reinigungskraft zu ersetzen als einen Radiologen.
Aber bei der Reinemachefrau gäbe es ein weiteres Problem. Aus KI-Sicht hat Putzen eine nicht so simple Struktur wie radiologische Diagnosen. Wäre z.B. eine Putzsituation identisch, würden aber die Beputzten unterschiedlich reagieren. Der eine hat kein Problem, dass seine Bücher neu gestapelt werden, der andere würde sich das verbieten. Dazu kommen viele unterschiedliche Putzsituationen.
Es wäre sehr schwer, dass die Beputzten das gewünschte Ergebnis bekommen.
Einerseits bin ich der Meinung Unterrichten funktioniert zwar häufig nach Schema F, aber viele Kollegen würden das für sich ablehnen, sondern von individuellen Einzelfallentscheidungen sprechen. Die Medizin hat, obwohl sie auch von Individualität spricht, doch eine gewisse Formalisierung. Diagnoseschlüssel, Behandlungsleitlinien usw.
Dies bedeutet aber auch, dass die wiederkehrenden Wirkzusammenhänge in der Medizin leichter erkennbar sind als im Instrumentalunterricht. In der Medizin ist auch klarer, dass die Maßnahme richtig ist und ihr Erfolg ist leichter bestimmbar.
Von einem KI-System in der Musik würde man stillschweigen erwarten, dass es die beste Methode der Intervention wählt. Die Frage der wahrscheinlich momentan besten Methode ist in der Medizin geklärt. Bezüglich des Instrumentalunterrichtes müsste das durch die Datenauswertung erst herausgefunden werden.
Ich würde die These riskieren, dass ein Schullehrer oder Nachhilfelehrer leichter ersetzt werden kann, weil die Beurteilung des Gegenstandes leichter ist. Bzw. durch die Masse der Daten, die erhoben werden können, klarer wird, was hilft wie viel?
Letztendlich kommt es aber auch auf den zu Unterrichtenden an. Wann würden sich die Unterrichtenden von einer Maschine unterrichten lassen? Für mich würde ich sagen, entweder deutlich billiger, aber gleichwertiger Unterricht. Oder deutlich besserer Unterricht.
So gesehen dürfte es noch dauern, bis wir ersetzt werden.
Der Beitrag wurde am Freitag, den 8. September 2023 um 08:47 Uhr veröffentlicht von Stephan Zitzmann und wurde unter den Kategorien: Eingeschoben, Gitarre lernen, Gitarrentechnik, Gitarrenunterricht, Software abgelegt. | Es gibt keinen Kommentar .